Neben farbenfrohen Druckstoffen befinden sich in der Sammlung des Kunstgewerbemuseums Dresden auch einige gewebte Stoffe der Dewetex (Deutsche Werkstätten Textilgesellschaft). Anders als es für die meisten der Druckstoffe der Fall ist, ist für diese gewebten Dekorationsstoffe – Vorhangstoffe, Bezugsstoffe sowie der eine oder andere Kleiderstoff – nicht bekannt, von wem sie entworfen wurden. Auch sind sie nicht exakt datiert. Die Versuchung ist groß, die Textilien in Verbindung mit der Bauhaus-Absolventin Margaret Leischner zu bringen, die 1931 Entwerferin der Dewetex wurde und bis zu ihrer Emigration nach England 1938 für die Firma Muster entwarf. Die Zusammenstellung auf den folgenden fünf Doppelseiten ist ein Experiment, uns einer Auswahl der gewebten Dewetex-Stoffe der Pillnitzer Sammlung anzunähern, sie bis in ihre innere Struktur hinein zu betrachten.
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Einiges von dem, was für die Gebrauchsstoffe des Bauhauses typisch war und wodurch sich auch einige von Leischners Stoffen aus ihrer Bauhaus-Zeit auszeichneten, gilt auch für die Dewetex-Stoffe auf den nächsten Seiten: eine Vorliebe für mehrfarbige Ketten, für Streifenmuster, für das Spiel mit kontrastierenden Garnen und Garnstärken. Ebenso spielte der Einsatz neuartiger Werkstoffe eine wichtige Rolle: Kunstseiden (künstliche Seiden auf Zellulose-Basis, unserer heutigen Viskose entsprechend), die stark glänzen und die Preise der Textilien nach unten drücken sollten, wurden gerne verwebt. Zellwolle, also Garne, die einen wollartigen Charakter haben, aber aus Zellulose bestehen, wurden in Möbel- und Vorhangstoffen verwendet, um diese mottenresistent zu machen. Innovationen gab es aber vor allem auch in der Konstruktion, im Aufbau der Stoffe: Man insistierte darauf, am Webstuhl, also im Webprozess mit unterschiedlichen Garnen und Bindungen und deren unterschiedlichem Verhalten zueinander zu experimentieren, statt die Entwürfe auf dem Papier zu zeichnen und sie unmittelbar an der Maschine umzusetzen. So konnten für die unterschiedlichen Funktionen der Textilien – einem Möbelstoff, der hohen Belastungen ausgesetzt war, abbürstbar oder abwaschbar zu sein hatte, oder einem Vorhangstoff, der einen guten Fall und Faltenwurf haben sollte, während er gleichzeitig den Lichteinfall oder die Raumtemperatur regeln musste – neuartige Qualitäten entwickelt werden. Am Bauhaus ging dies so weit, dass Textilien Aufgaben übernahmen, die die Architektur teilweise nicht lösen konnte, etwa Lichtreflexion oder Schalldämmung. Deren Werte wurden an den Stoffen dann zum Teil auch physikalisch geprüft.
Letztlich weisen die Verwandtschaften zwischen den Textilien der Dewetex und des Bauhauses auf starke personelle und materialbezogene Bezüge hin, die noch eingehender zu erforschen sind.
Der vollständige Text erscheint zusammen mit Betrachtungen von fünf Stoffen der Dewetex im Katalog zur Ausstellung "Gegen die Unsichtbarkeit. Designerinnen der Deutschen Werkstätte Hellerau, 1898 - 1938", erschienen im Hirmer Verlag, Nov. 2018. Eine Ausstellung des Kunstgewerbemuseums Dresden im Japanischen Palais, 3. Nov. - 3. März 2019.